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2023-01-13Ioan Scurtu: Eminescus Zeitalter
Mihail Eminescu ist eine ausgeprägt subjektive Künstlernatur; eben dieser umstand gibt seinem Schaffen auf den verschiedenen Gebieten der Literatur auch in biographischer Beziehung eine gewisse Bedeutung. Seine Gedichte sowohl wie seine Prosaschreiben enthalten oft wertvolle Andeutungen über das Gefühlsleben, die Ideenwelt und die inneren Erlebnisse des Dichters. Besonders eine Novelle „Särmanul Dionis" (Nov. 31 ff.) scheint vieles aus dem Innenleben Eminescus wiederzuspiegeln, selbstverständlich in poetischer Form und in phantasiegemäßer Behandlung. Der Held dieser Novelle, Dionis, hat mit der Persönlichkeit des Dichters manches überraschend Gemeinsame. Das wichtigste Material enthalten aber die offiziellen Aktenstücke aus Eminescus Tätigkeit als Bibliothekar und als Schulinspektor in Jassy, die bis jetzt noch nicht erforscht worden sind. Der Liebenswürdigkeit des Herrn G. Teodorescu- Kirileanu verdanke ich die Möglichkeit, diese Aktenstücke benutzen zu können. Neuerdings hat auch Teofil Fräncu, ein Freund des Dichters, manche interessante Nachrichten in der Kronstädter Zeitung „Gazeta Transilvaniei" in Siebenbürgen (G. T. LXV, 1902 Nr. 85).
Biographische Quellen
Noch eine biographische Quelle muß ich hier besprechen. Es ist der Band von Briefen Henriette Eminescus an Frau Cornelia Emilian. Doch ist das Buch im großen und ganzen nicht eben glücklich zusammengestellt und daher nur in beschränkter Weise brauchbar und mit kritischer Vorsicht zu benutzen, da sich in ihm manche Angaben und Äußerungen befinden, die einer strengen objektiven Prüfung unterzogen werden müssen; die Briefe selbst sind sehr subjektiv, hier ist da sogar befangen, wie es den Umständen nach, unter denen sie geschrieben sind, auch nicht anders zu erwarten ist; manche wieder gehören nicht in die Öffentlichkeit und es ist bedauerlich, daß sie veröffentlicht worden sind. Und nun eine allgemeine Bemerkung über die angegebenen biographischen Quellen: die meisten sind von jeder wissenschaftlichen Kritik unberührt geblieben. Biographischen Angaben widersprechen sich gleichwohl oftmals, und nicht selten beruhen sie auf bloßen ermutungen oder Legenden.
Eminescus Zeitalter
Außer den genannten Quellen habe ich — insoweit mir dies von Leipzig aus möglich war — auch eigene Forschungen angestellt. Ich habe mich zu diesem Zwecke privatim wie öffentlich (durch Zeitschriften und Zeitungen) an des Dichters Freunde, an die Universitätskanzleien in Wien, Berlin, Jena, an die Universitätsbibliotheken in Wien und Berlin, an die Universitätsbibliothek in Jassy und auch an andere Quellen gewandt, von denen ich annehmen durfte, daß sie etwas über den Dichter mitteilen konnten. Als eine Folge dieser Bestrebungen dürfte vielleicht auch die erfreuliche Tatsache angesehen werden, daß in der letzten Zeit das Interesse für den großen Dichter wieder einen mächtigen Aufschwung genommen hat.
Herr Maiorescu hat der rumänischen Akademie in Bukarest eine bedeutende Anzahl Manuskripte Eminescus übergeben; ein neuer Band Gedichte ist daraus schon erschienen, andere werden in kurzer Zeit folgen und verschiedene Aufsätze über den Dichter sind veröffentlicht worden. Das Leben Eminescus (1849 — 1889) deckt sich mit dem Zeitalter, wo die wichtigsten politischen, sozialen und kulturellen Ereignisse für das rumänische Volk im XIX. Jahrhundert stattfanden, das gleich auf die Zeit des nationalen Wiedererwachens der Rumänen im Königreiche und in Österreich-Ungarn folgte. Es ist die Epoche der modernen Gestaltung Rumäniens als National- und Kulturstaat. 1859 vereinigen sich Moldau und Walachei zum Fürstentum. 1866 bekommt das Land statt der einheimischen eine deutsche Dynastie und tritt dadurch mehr in die Reihe der europäischen Staaten. 1877, in dem russisch-rümänisch-türkischen Kriege erkämpft Rumänien seine völlige Unabhängigkeit; 1881 wird es Königreich.
Auf politischem Gebiete...
Mit diesen politischen Ereignissen eröffnet sich dem Lande ein neues staatliches Leben und eine neue Kultur. Das politische Leben bekommt als Grundlage eine der liberalsten Verfassungen Europas; die Kultur ist gleichfalls aus dem Abendlande eingeführt, und zwar aus Frankreich, wie auch die politischen Reformen. Es ist klar, daß nicht alle Resultate dieser neuen Einrichtungen günstig sein konnten. Sie waren rasch eingeführt, mit einer konsequenten Nichtbeachtung der tatsächlichen Bedürfnisse des Volkes und mit einem großen Optimismus kosmopolitischer Art, der in dem Liberalismus des Zeitalters lag. Besonders die kritiklose und nur oberflächliche Anpassung an die französische Kultur in allen Dingen — infolge des Einflusses der Angehörigen der oberen Klasse, die in Paris ihre Studien machten und größtenteils noch heute machen, — wurde bald verhängnisvoll für eine gesunde, ruhige, echt nationale Entwicklung des Landes. Daher rührt eine große Anzahl von mißlichen sozialen und politischen Zuständen, denen die öffentliche (politische) Tätigkeit Eminescus sehr energisch entgegen strebte.
Auf politischem Gebiete eine überliberale Konstitution für eine politisch noch gar nicht geschulte Masse und dadurch eine scheinbare Freiheit der unteren Klassen, in Wirklichkeit aber ein willkürliches Herrschen der oberen Klassen, deren Traditionen größtenteils in den traurigen, durch und durch verdorbenen Zeiten der „Fanarioten" der griechisch-türkischen Wirtschaft zu suchen sind.
Auf kulturellem Gebiete — Einführung (ohne Maß, ohne Kritik, ohne Vertiefung, ohne richtiges Verständnis) einer fremden, der Natur des Volkes und seiner Entwickelungsstufe nicht entsprechenden Kultur, die nur oberflächlich nachgeahmt werden konnte und wurde.
Auf ethischem Gebiete zeigt sich vor allem Mangel an sittlicher Zucht, dafar machen sich Herrschsucht und Gewinnsucht breit, Luxus und Verschwendung nehmen überhand.
Auf literarischem Gebiete — außer Alexandri und manchen anderen — ein fast ausgelebter, meist deklamatorischer Patriotismus, ein überschwenglicher Optimismus von der lockersten philosophischen Art; eine exotische Romantik oder eine eifrige Nachahmung der franzosischen Literatur; ein Kultus der Schriftsteller und des Publikums zu Gunsten des fremden und zu Ungunsten des Volksgeistes; in den höheren Klassen das Vorherrschen der französischen Sprache und Sitte und ein gewisses ironisches Herabblicken auf die rumänische Sprache und rumänische Denkart.
Eminescus Abstammung
Über die Vorfahren des Dichters besitzen wir keine einzige sichere Nachricht. Es existieren bloß einige sehr wenig glaubwürdige, rein sagenhafte Nachrichten. Nach der einen soll ein Vorfahre Eminescus Türke gewesen sein, ein Kaufnann Namens Emin Effendi, der in der Moldau eine Rumänin heiratete (Petr. 6). Nach einer anderen soll der Vater Eminescus von einem schwedischen Offiziere Karls XII. abstammen. Dieser Offizier habe sich nach der Schlacht bei Pultawa in Suceava (Bukowina) nieder- gelassen imd eine Rumänin geheiratet (Div. 122). Dr Hauptmann Eminescu, der Bruder des Dichters erklärt (B. p. i Vor wort) solche und andere derartige Versionen, als Anekdoten, ja sogar als Verleumdungen seiner Familie.
Die verschiedenen Biographen geben über Eminescus Familie ungefähr folgende Nachrichten an, die ich durch einige briefliche Mitteilungen ergänze. (Briefe von den Herren Dr. J. G. Sbiera, Universitätsprofessor in Czernowitz, V. Bumbac in Suceava, J. Bumbac in Czernowitz, u. a.) Die Familie Eminovici stammt aus der Bukowina, aus dem Dorfe Calinesti bei Itcani an der rumänischen Grenze. Nachkommen der Familie leben noch heute in diesem Dorfe, unter dem Namen Eminovici (briefl. V. Bumbac). Der Vater des Dichters, Georg Eminovici, ein Bauernsohn, ist 1812 in Calinesti geboren; er hat die 4 klassige Elementarschule in Suceava besucht Dann trat er in den Dienst des Boiaren loan lenacaki Ctrstea in der Gemeinde Gostlna bei Suceava. Später befindet er sich als Verwalter („vätaf de mofie") im Dienste des Bojaren Bals von Dumbräveni, der reiche und große Besitzungen in der Moldau besaß und dessen Familie dem nationalen rumänischen Adel angehört. 1840 heiratete Georg Eminovici die 4. Tochter des Edlen Stolnicul Vasile lurascu aus loldesti, der einer alten adeligen Familie der Moldau entstammt.
Ioan Scurtu, Mihail Eminescu's Leben und Prosaschriften, J.A. Barth, Leipzig 1903
(Ausschnitt)